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Der Begriff unbarer Zahlungsverkehr zwischen den EU-Zentralbanken, als TARGET2 bekannt, klingt völlig unverdächtigt. Das System stellt jedoch viele bewährte ökonomische Regeln auf den Kopf. Es wird daher diskutiert, ob es Nutzen der deutsche Volkswirtschaft bringt (Siewert/ Sachverständigenrat) oder ihr schadet (Sinn/ifo-Institut). Die Kernrage, was die Deutsche Bundesbank mit den Target2-Forderungen als Folge der deutschen Leistungsbilanzüberschüsse, machen soll, bleibt offen. Die letzten Forderungen aus dem Ausland (Trump, Filon) nach ihrem dem Abbau sorgen für weitere Verwirrung. Dieser Beitrag hellt die komplexe Problematik auf.
Target2 versus Außenhandelsfinanzierung: Im Target2-System muss die Deutsche Bundesbank Überziehungswünsche der Notenbanken der EU-Defizitländer (Griechenland & Co.) in unbestimmter Höhe und für unbestimmte Zeit akzeptieren. Diese Defizite resultieren primär aus deren Leistungsbilanzdefiziten. Letztendlich gewährt die Bundesbank dem griechischen Importeur einen Lieferantekredit und bezahlt die deutsche Exporteurrechnung. Die EZB errechnet die Target2-Salden zwischen den 28 EU-Zentralbanken, übernimmt sie in die eigene Bilanz und stellt fest, ob die Bundesbank oder eine andere Zentralbank eine Forderung (positiver Saldo) oder eine Verbindlichkeit gegen sie hat. So wird im Endeffekt aus der direkten Forderung der Bundesbank gegen die griechische Zentralbank eine EZB-Forderung, die formal eine Top-Bonität besitzt. Real ist sie jedoch häufig das Papier nicht wert, auf dem sie steht. Dennoch liefert eine Forderung an die EZB eine ausreichende Besicherung für die Schöpfung (früher “das Drucken” bekannt) von Zentralbankgeld, mit dem eben der Exporteur bezahlt wird. Ob und wann die sich auftürmenden Salden ausgeglichen werden, bleibt unklar. Nur beim Verlassen des Euro-Raumes hat der Schuldner sein Negativsaldo auszugleichen. Ob er umgekehrt der Gläubiger sein Guthaben bekommt, steht nicht fest. Exkurs: Früher regulierte der Wechselkurs die Importwünsche der Griechen In der “Vor-EZB-und-Vor-Euro-Ära” wurden Zahlungen an den griechischen Exporteur abgelehnt, wenn seine Notenbank kein DM-Guthaben oder keinen Kredit besaß. Ihre Leistungsbilanzdefizite stopften die Hellenen entweder durch DM-Käufe oder durch Bundesbank-Kredite, falls sie welche bekamen. Der Wechselkurs der Drachme, der sich streng an der Leistungsfähigkeit der griechischen Exportwirtschaft orientierte, beschränkte die Importwünsche. War diese schwach, blieb die DM teuer und vice versa. Das alte System besaß insofern ökonomische Obergrenzen, die durch den Wechselkurs und die Kreditvergabe der Bundesbank und anderer deutscher Banken gezogen wurden. Im Target2 gibt es solche Schranken weitgehend nicht: die negativen und unfungiblen Target2-Salden der Defizitländer müssen Zentralbanken der Überschußländer dulden. Die Bundesbank erhält als Aktivum die Target2-EZB-Forderung, die aber kein Guthaben darstellt. Dieses Aktivum ist für einen Vermögenserwerb nur beschränkt verwendbar und womöglich abschreibungsgefährdet, weil sie kein Privatinvestor akzeptieren wird. Nach dem heutigem Stand wird unsere Notenbank diese unfungiblen Forderungen Jahre lang in ihrer Bilanz “mitschleppen”. müssen. Kritiker vergleichen die positiven TARGET2-Salden mit dem Besitz von “Schrottanleihen” aus Zeiten der US-Hypothenekenbankrise. Wird eine Parallele zum Alltag gezogen, so gilt: Früher wurde bar oder mit eingeräumtem Kredit bezahlt, heute wird “angeschrieben” und keiner darf “Nein” sagen. Die einzige Bremse in diesem System bildet die Haftung des griechischen Importeurs gegenüber seiner Bank. Ist diese aber ernst zunehmen, wenn im fernen Frankfurt die Bundesbank schon alles gezahlt hat? Target2 versus Bankenrettung: Es gibt zwei weitere Hauptgründe für den Anstieg der TARGET2-Salden, die Kapitalflucht und die Rettung maroder Banken, die wiederum nicht zufällig in den in Defizitländern liegen: So stiegen die Salden bei der Bundesbank auch augrund der Überziehungskredite an griechischen Geschäftsbanken. Die griechische Zentralbank musste ab 2010 ihnen Refinanzierungsmittel zur Verfügung stellen, nachdem private Geldgeber massiv abgesprungen waren. Diese Mittel besaß die Bank of Greece nicht und sie durfte auch nicht im Wege der Geldschöpfung kreieren, da die Geschäftsbanken keine fähigen Aktiva für die Kreditbesicherung vorlegten. (Sonst würde die Bank of Greece ohne die EZB-Erlaubnis unbegrenzt Geld schöpfen, keine EZB-Kredite mehr benötigen und es gäbe überhaupt keine Griechenland-Krise!). Auch die beschriebenen Überziehungskredite (ELA-Kredite) hatten Zwangscharakter. Voll gestopft mit “Schrott”: Aufgrund der geschilderten Mechanismen wird heute die vormals saubere Bundesbankbilanz auf der Aktivseite zu 60% mit zweifelhaften EZB-Foderungen “verseucht”. Die rasant auf 830 Mrd. € gestiegenen deutschen Salden sorgen schon seit 2012 für hitzige Debatten, in denen die Experten-Thesen beider Seiten so plausibel wie widersprüchlich sind. Unstrittig bleiben zwei Fakten: Es gibt den rasanten Saldoanstieg erst seit 2009. Vor der Lehman-Bank-Pleite und der Griechenland-Krise war die Finanzwelt noch in Ordnung. Zweitens: alle EU-Südländer sind TARGET2-Schuldner. TARGET2 und Argumente der Befürworter: Exporte blühen, der Exporteur bekommt sein Geld, der Euro wird gestützt. Wenn das System dennoch Verteidiger findet, so argumentieren diese folgendermaßen:
TARGET2 und Argumente der Kritiker: Leistungsprinzip gefährdet, Kursstützung maroder Staatsanleihen, Kollaps-Gefahr bei der EZB erhöht (?) Das System hat selbstverständlich auch Nachteile, die sich nicht auf den erläuterten Zwangscharakter der Forderungsakzeptanz und die Qualität der Forderungen beschränken:
Die Ausgangsfrage: Die Forderung ausländischer Politiker Deutschland möge seine riesigen Exportsüberschüsse abbauen, ist unrealistisch. Es bleibt unklar wer mit “Deutschland” gemeint ist. Ist es die Exportwirtschaft, so bleibt der in den TARGET2-Salden “eingefrorene” Teil dieser Überschüsse außen vor. Er stünde auch sonst nicht für Kapitalinvestitionen im Privatsektor zur Verfügung, weil dies der Bundesbank nicht gestattet ist. Zudem wird der Außenhandelsüberschuss (Exporte minus Importe) als reiner Liquiditätsüberschuss mit dem Gewinnüberschuss verwechselt. Aber nur Gewinne können investiert werden. Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel: 2016 standen deutschen Exporten von 1.207 Mrd. € Importe von 955 Mrd. € gegenüber, was einem Überschuss von 262 Mrd. € ergab. Hätten die gewerblichen Exporteure und Importeure jeweils eine Gewinnmarge von 2% netto erzielt, was bei Massenwaren eine stolze Marke wäre, stünden ihnen 43 Mrd. € und nicht 262 Mrd. € für Anlagezwecke zur Verfügung. Otto-Normal-Verbraucher – falls der mit “Deutschland” gemeint ist – hat als Tourist mit den Unternehmensgewinnen der Außenwirtschaft nichts zu tun. Fazit: deutscherarbeitgeberverband.de/aktuelles/2017/2017_05_01_dav_aktuelles_target2.html?q=viktor%20heese
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01. Mai 2017 |
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